Bei unserer Beratungstätigkeit treffen wir ständig auf ihn - leider fristet er häufig ein unbedeutendes und ungeliebtes Schattendasein: der Kontenplan. Meistens sind die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Gründen unzufrieden mit ihm: zu detailliert, schlecht strukturiert, unklar, historisch gewachsen oder einfach unverständlich.
Daher wollen wir ihn für euch einmal in den Mittelpunkt rücken und plädieren für eine Aufwertung seiner Rolle im Unternehmen, denn seine Bedeutung im Rahmen der Digitalisierung, der Unternehmensteuerung und des Financial Reporting ist enorm.
Was ist ein Kontenplan?
Unternehmen müssen ihre Geschäftsvorfälle gesetzeskonform und einheitlich erfassen, wenn sie Einfluss auf die Vermögens- und Finanzsituation haben. Im Rahmen der doppelten Buchführung erfolgt diese Erfassung oder Verbuchung auf sogenannten Konten.
Der Kontenplan ist das strukturierte Verzeichnis aller Buchführungskonten eines Unternehmens. Dieses Verzeichnis sollte so aufgebaut sein, dass es die unternehmerische Situation des Unternehmens sinnvoll abbildet.
Ein sinnvolles und effizientes Setup des Kontenplans und eine eindeutige Definition der Kontenverwendung unterstützt euch dabei, die laufende Buchführung korrekt und effizient abzuarbeiten und anschließend transparent und aussagekräftig auszuwerten.
Wie entsteht ein Kontenplan?
In vielen Fällen machen sich Unternehmen bei der Aufnahme des Geschäftsbetriebs wenig Gedanken über ihren Kontenplan. Junge Unternehmen geben ihre Buchhaltung meist zu einem Steuerberater, der üblicherweise einfach mit dem steuerlich orientierten Standardkontenrahmen SKR 03 und SKR 04 der DATEV startet.
Kontenplan und Kontenrahmen gehören unmittelbar zusammen, denn ein Kontenrahmen ist die Basis für die Gestaltung des individuellen Kontenplans eines Unternehmens. Der Unterschied ist, dass ein Kontenplan ein speziell auf die Bedürfnisse eines Unternehmens zugeschnittener Kontenrahmen ist, aber die grundlegende Strukturierung wie Kontenklassen oder die Logik der Nummerierung beibehalten wird.
Bei der Strukturierung von Kontenrahmen unterscheidet man folgende grundlegende Konzepte:
- Prozessgliederungsprinzip: Sortierung der Konten entsprechend den Abläufen bzw. Prozessen (Leistungserstellung und Leistungsverwertung) innerhalb eines Unternehmens.
- Abschlussgliederungsprinzip: Sortierung der Konten entsprechend der gesetzlichen Vorgaben für die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung.
Auf dem Weg zum unternehmensspezifischen Kontenplan werden meist folgende Anpassungen vorgenommen:
- Es werden Konten gelöscht, die für das Geschäftsmodell eures Unternehmens nicht benötigt werden. Zum Beispiel benötigt ein Dienstleistungsunternehmen das Konto „Rohstoffe“ nicht.
- Es werden individuelle Konten angelegt, beispielsweise wird für jedes Bankkonto ein Konto mit Banknamen und Kontonummer angelegt.
- Konten werden umbenannt, um eine eindeutige Kontenverwendung sicherzustellen, beispielsweise werden unternehmensinterne Begrifflichkeiten in der Kontenbezeichnung ergänzt.
In der nachfolgenden Tabelle findet ihr eine Übersicht weit verbreiteter Standardkontenrahmen (SKR) der Datev, die in Deutschland verwendet werden, um daraus unternehmensindividuelle Kontenpläne abzuleiten.
Kontenrahmen | Anwendungsbereich | Struktur |
SKR03 | Publizitätspflichtige Unternehmen Es gibt ihn neben HGB auch in der IFRS/IAS Variante mit einer Gegenüberstellung der Bilanz-Posten nach HGB und IFRS/IAS. | Prozessgliederung |
SKR04 | Publizitätspflichtige Unternehmen Es gibt ihn neben HGB auch in der IFRS/IAS Variante mit einer Gegenüberstellung der Bilanz-Posten nach HGB und IFRS/IAS. | Abschlussgliederung |
SKR 30 | Einzelhandel | Abschlussgliederung |
SKR 51 | Kfz-Gewerbe | Abschlussgliederung |
Darüber hinaus gibt es aber auch Kontenrahmen von Industrieverbänden, z.B.
- Industriekontenrahmen (IKR) - Bundesverband der Deutschen Industrie
- Reinzelhandelskontenrahmen (EHK) - Handelsverband Deutschland e.V.)
- Kontenrahmen der Wohnungswirtschaft - Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.
oder auch Musterkontenpläne von Anbietern diverser Finanzbuchhaltungs- oder ERP-Systeme.
Sowohl für junge Unternehmen als auch Unternehmen, die einen neuen Kontenplan benötigen ist es wichtig aus den verfügbaren Kontenrahmen einen möglichst passenden auszuwählen und anschließend auf die individuellen Anforderungen des Unternehmens zuzuschneiden.
In Konzernen oder Unternehmensgruppen spricht man bei den individuellen Kontenplänen auch vom operativen Kontenplan, der alle Sachkonten enthält, die im Tagesgeschäft für die strukturierte und gesetzeskonforme Erfassung von Geschäftsvorfällen benötigt werden.
Warum ist ein passgenauer Kontenplan für Unternehmen wichtig?
Der Kontenplan eines Unternehmens stellt eines der wichtigsten Bindeglieder zwischen den verschiedensten Bereichen eines Unternehmens und entlang der unternehmensinternen End-to-End Prozesse dar. Damit diese Zusammenarbeit schnell und reibungslos läuft, sollte bei der individuellen Ableitung des Kontenplans die Geschäftstätigkeit des Unternehmens, die relevanten Geschäftsvorfälle sowie die unternehmensinternen Geschäftsprozesse berücksichtigt werden. Zudem sollten alle involvierten Stakeholder sowohl bei der initialen Definition als auch bei der laufenden Weiterentwicklung des Kontenplans beteiligt werden. Dies erleichtert die abteilungsübergreifende und prozessuale Zusammenarbeit.
Zudem ermöglicht ein speziell auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnittener Kontenplan ein effizientes und aussagekräftiges Reporting über die Geschäftstätigkeit und allem voran, die finanzielle Performance des Unternehmens.
Insgesamt trägt ein auf das Unternehmen und seine Geschäftsprozesse zugeschnittener und ordnungsgemäß strukturierter Kontenplan auch dazu bei, Governance, Risk und Compliance (GRC) im Unternehmen zu erhöhen:
- Schaffung einer klaren Governance-Struktur, indem eine standardisierte Methode zur Klassifizierung von Finanzinformationen bereitgestellt wird.
- Systematische Organisation und Klassifizierung von finanziellen Daten, wodurch potenzielle Risiken besser erkannt werden können.
- Strukturierung von Finanzdaten entsprechend gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben.
Ein Kontenplan ist ein Organisationselement, dass sich in fast allen Unternehmensbereichen, Prozessen und Systemen wiederfindet. Daher ist es auch verständlich, dass Unternehmenswachstum, sich ändernde Geschäftsmodelle oder neue Organisationsstrukturen dazu führen, dass neue Konten ergänzt und nicht mehr benötigte Konten deaktiviert werden müssen. Sehr häufig sieht man in Kontenplänen „geronnene“ Unternehmenshistorie.
Massive Veränderungen am Kontenplan stehen immer dann bevor, wenn
- bei Akquisitionen neue Unternehmen mit abweichenden Kontenplänen integriert werden müssen
- Unternehmen aufgrund von neuen Reporting-Anforderungen nach Internationalen Rechnungslegungsvorschriften berichten oder komplett umstellen müssen,
- gesetzliche Änderungen oder neue technologische Möglichkeiten (z.B. E-Bilanz, ESEF) den Kontenplan für Reporting-Zwecke nutzen.
Kontenpläne sind einem ständigen Wandel unterworfen und müssen entsprechend professionell gepflegt und betreut werden – sie gehören unseres Erachtens zu den wichtigsten Stammdaten im Unternehmen.
Leider fristen Kontenpläne in vielen Unternehmen nach wie vor ein Schattendasein und es entsteht Wildwuchs. Immer wieder werden unabgestimmt neue Konten für Einzelsachverhalte angelegt oder Konten einfach unterschiedlich genutzt. Die Folge sind manuelle Überleitungen, Mappings und ineffiziente Abschluss- und Reportingprozesse.
Die Bedeutung eines schlanken und multidimensionalen Kontenplans für die Digitalisierung in Unternehmen
In Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung ist es für Unternehmen wichtiger denn je, Prozesse und Systeme und damit verbundene Daten auf einem aktuellen Stand zu halten. Der Kontenplan gehört neben den Klassikern der Kundenstammdaten (Kunden, Artikel, Lieferanten, Material und Mitarbeiter) zu den wichtigsten Stammdaten und Datenlieferanten in Unternehmen.
Von entscheidender Bedeutung ist hierbei das Finanzbuchhaltungs- oder ERP-System. Es stellt die Basis oder den digitalen Kern für alle Daten und Prozesse rund um die unternehmerische Wertschöpfung und das Financial Reporting von Unternehmen dar.
Moderne Financial Management Systeme bieten die Möglichkeit, Geschäftsvorfälle ergänzend zur buchhalterischen Kontierung multidimensional zu erfassen und auszuwerten. Derartige Zusatzkontierungen, Dimensionen oder Tags erlauben es, unternehmerische Geschäftsvorfälle um zusätzliche Reporting-Aspekte zu ergänzen, die für die unterschiedlichsten Zwecke genutzt werden können, z.B.
- Kostenrechnerische Dimensionen wie Kostenstellen, Kostenträger, Funktionsbereiche oder Segmente,
- Controlling Dimensionen zur Normalisierung, d.h. die Identifikation von Einmaleffekten,
- Financial Reporting Dimensionen die im Rahmen der Abschlusserstellung oder Konsolidierung benötigt werden, wie Bewegungsarten für die Erstellung von Anlagen-, Verbindlichkeiten oder Eigenkapitalspiegel oder auch Kennzeichen zur Identifikation von Intercompany-Transaktionen,
- Steuerliche Zusatzinformationen wie Steuerschlüssel oder -kennzeichen.
Diese technischen Möglichkeiten sollten bei der Einführung von neuen Financial Management Systemen unbedingt genutzt werden und unterstützen die Entschlackung von aufgeblähten und für die unterschiedlichsten Reportingzwecke missbrauchten Kontenpläne. Ein schlanker und multidimensionaler Kontenplan hat daher eine hohe Bedeutung für die Digitalisierung in Unternehmen. Er erleichtert die Automatisierung und Analyse von Finanzprozessen und ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer effizienten, genauen und zuverlässigen digitalen Finanzbuchhaltung.
Wann sollten Unternehmen ihren Kontenplan aufräumen?
Unsere Ausführungen machen deutlich, welche Bedeutung wir einem schlanken und effizienten Kontenplan zuschreiben. Er ist eine der wichtigsten Stellschrauben für die Optimierung im Finanzbereich, denn er
- ermöglicht in der Buchhaltung eine klare und strukturierte Erfassung von Geschäftsvorfällen
- ist die Basis für effiziente Prozesse und effektives Reporting
- stellt eine wichtige Grundlage für fast alle Digitalisierungsinitiativen im Finanzbereich dar.
Bei unseren Beratungsmandaten haben sich daher einige “Trigger-Situationen” herauskristallisiert, in denen Unternehmen ihren Kontenplan unbedingt genauer ansehen und ggf. aufräumen sollten:
- Wachstum und Veränderung: Wenn Unternehmen stark wachsen und neue Geschäftsbereiche hinzukommen, kann es sinnvoll sein, den Kontenplan anzupassen, um die neuen Geschäftsbereiche abzubilden.
- Änderungen bei Systemen und Prozessen: Wenn sich die IT-Systeme und Geschäftsprozesse ändern, kann dies Auswirkungen auf den Kontenplan haben.
- Ineffizienzen: Wenn der Finanzbereich mit Ineffizienzen kämpft, spielt häufig auch der Kontenplan eine wichtige Rolle.
- Compliance: Wenn sich die gesetzlichen Anforderungen an die Finanzbuchhaltung ändern, muss der Kontenplan angepasst werden, um die neuen Anforderungen zu erfüllen.
- Unternehmenstransaktionen: Wenn Unternehmen gekauft oder verkauft werden, müssen häufig die Kontenpläne beider Unternehmen zusammengeführt werden.
Um den Kontenplan nach einer Aufräumaktion dauerhaft in den Griff zu bekommen, sollte unbedingt ein professioneller Kontenpflegeprozess etabliert werden. Alle Stakeholder am Kontenplan, wie Buchhaltung, Controlling, Tax, Konzernrechnungswesen und IT sollten in einen Prozess eingebunden werden, bei dem jede Änderung einen abteilungsübergreifenden Abstimmungsprozess durchlaufen muss.
An dieser Stelle müssen wir noch darauf hinweisen, dass der Kontenplan eines Unternehmens zu den Organisationsunterlagen der Buchführung gemäß § 257 HGB sowie § 147 AO gehört. Er ist daher 10 Jahre lang aufzubewahren.
Mit unserer Erfahrung und Expertise unterstützen wir euch gerne bei Aufbau und Optimierung eines auf die individuellen Anforderungen eures Unternehmens zugeschnittenen Kontenplans.